Die Geschichte des Klosterneuburger Schützenvereins, oder wie immer sich diese traditionsreiche Schießgesellschaft im Verlaufe der Jahrhunderte genannt haben mag (Schützengesellschaft, Schützengilde, Schützenzeche), ist eng verbunden mit dem Wirken der ersten Habsburger im Lande unter der Enns.
Schon im Jahre 1278 bestätigte König Rudolf I. den Wienern ihre alten Privilegien und erhob die Stadt Wien gleichzeitig zur freien Reichsstadt. Sein Sohn Albrecht I., der nach Aufhebung der Doppelregierung mit seinem Bruder Rudolf Alleinregent in Österreich, in der Steiermark, in Krain und in der Windischen Mark wurde, beglaubigte aber den Wienern ihre Privilegien, vor allem die Reichsunmittelbarkeit ihrer Stadt, nicht mehr und umgab sich außerdem, sehr zum Ärger der ohnehin schon aufgebrachten Wiener, in der Hauptsache mit schwäbischen Adeligen als Berater.
Die in ihrem Stolz arg verletzten Ritter, Räte und Bürger der Stadt organisierten nun im Jahre 1287 einen Aufstand gegen ihren Landsherren, in dem sich die sonst meist zerstrittenen Ratsherren und die Bürgergemeinde ausnahmsweise einmal einig waren. Eine Bewegung, die Herzog Albrecht I. zwang, aus Sicherheitsgründen seinen Sitz in die Burg auf dem Kahlenberg (heute Leopoldsberg) zu verlegen.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt kam es zu einem engeren Kontakt zwischen dem Herzog und den Klosterneuburger Bürgern, die ihren Landesherren wirtschaftlich und sicher auch mit Waffen unterstützten. Der Wiener Aufstand brach ein Jahr später, also im Jahre 1288, zusammen und die führenden Männer dieser Revolte mussten im Februar dieses Jahres in Klosterneuburg Abbitte leisten und auf ihre Rudolfinischen Rechte und Privilegien feierlich verzichten.
Soweit stimmt das historische Umfeld mit der Klosterneuburger Tradition des hiesigen Schützenwesens klaglos überein. Noch im selben Jahre, möglicherweise auch gleichzeitig mit der Demütigung der Wiener durch ihren Privilegienverlust, hat nun Herzog Albrecht I. den Klosterneuburgern, deren Schießkunst im Bogen- und Armbrustschießen er in der vergangenen Auseinandersetzung mit Wien und wohl auch auf der Jagd kennengelernt hatte, auf Vorschlag seines schwäbischen Beraters Hermann von Landenberg* einen Schützenverein nach Schweizer Muster** und ein jährliches Scheibenschießen auf seine Unkosten genehmigt.
* Hermann von Landenberg ist in der Klosterneuburger Geschichte auch wegen seiner entschiedenen
Vorsprache bei Propst Hadmar (Asinus) bekannt (1300).
** Da die Habsburger ihr Stammschloß in der Schweiz hatten, waren sie mit den dortigen Verhältnissen
bestens vertraut.
Herzog Albrecht I. genehmigte 1288 den Klosterneuburgern eine Schützengesellschaft
Als Übungsplatz wurde der Schützengilde von ihrem hohen Gönner der hinter der Albrechtsburg noch innerhalb der Stadtmauer Klosterneuburgs gelegene weite Raum zugewiesen.
Maximilian Fischer erwähnt die Gründung der Klosterneuburger Schützengesellschaft zeitlich im Zusammenhang mit seinem Bericht über die Reise des Klosterneuburger Propstes nach Salzburg zur feierlichen Erhebung des Hl. Rupertus (1288)*. Wie lebhaft der Kontakt des Herrscherpaares mit Klosterneuburg war, lässt sich auch aus der Tatsache ablesen, dass die Herzogin Elisabeth aufgrund einer päpstlichen Bulle Papst Urban IV. (1261-1264) und durch eine Meßstiftung die Einführung einer jährlichen Fronleichnamsfeier in der Stiftskirche Klosterneuburg veranlasste. Und wiederum im Jahre 1288 bestätigten die Bischöfe Wernhard und Leopold von Passau und Seckau die von der Herzogin gemachte Stiftung**.
Auch Albert Starzer geht auf die Gründung der Klosterneuburger Schützengesellschaft im Zusammenhang mit seiner Darstellung der Vorgänge um Herzog Albrecht I. sehr wohl ein, allerdings auch ohne sich auf eine Jahreszahl festzuschreiben***.
Zum großen Unglück für die Klosterneuburger Schützenfreunde ist die Genehmigungsurkunde durch Herzog Albrecht l. in Verlust geraten so dass die Klosterneuburger Tradition das Gründungsjahr 1288 allein verteidigen muss. Das Jahr 1288 ist allerdings so stark von einer emotionalen Zusammenarbeit zwischen Herrscherpaar und Klosterneuburg geprägt, dass die Tradition als festbegründet angesehen werden kann.
* Maximilian Fischer, Merkwürdige Schicksale des Stiftes und der Stadt Klosterneuburg,
Wien 1815, Bd.I, S.140
** Wie *, jedoch Bd.II, S.288
*** Albert Starzer, Geschichte der landesfürstlichen Stadt Klosterneuburg, Klosterneuburg 1900, S.50-51
Wie es zum Verlust der für die Klosterneuburger Schützengesellschaft so wertvollen Urkunde kommen konnte, hat ein Chorherrenhistoriker so erklärt und schriftlich niedergelegt:
Im Jahre 1740 (Todesjahr Kaiser Karl VI.) wollten die Klosterneuburger ihre Schützenprivilegien, wahrscheinlich um dem wirtschaftlichen Niedergang durch einen kaiserlichen Gnadenakt entgegenzusteuern, neuerlich bestätigt bzw. erweitert wissen und sandten mit dem diesbezüglichen Gesuch auch alle Originalurkunden (ohne für sich eine Abschrift zurückzubehalten) an die Österreichische Hofkanzlei. Die so wertvollen Urkunden wurden nie wieder gesehen und auch die damals vom Kaiser erbetene Erledigung konnte bisher in keinem Archiv aufgefunden werden. Es entspricht dem damaligen Subordinationsdenken, dass niemand den Mut aufbrachte, von der kaiserlichen Kanzlei die Rücksendung der Originale in aller Form zu verlangen*.
Aus der heutigen Sicht kann die Richtigkeit der Darstellung niemand überzeugend verneinen. Die Eingangsprotokolle der damaligen Österreichischen Hofkanzlei wurden beim Justizpalastbrand im Jahre 1929 leider vernichtet **.
ln einer Urkunde des Jahres 1296, die im Archiv des Chorherrenstiftes Klosterneuburg erliegt, wird dann der Urkundenzeuge Perchtold ausdrücklich als „Schützenmeister“ bezeichnet, so dass wir annehmen können, dass die Schützen der Stadt um diese Zeit bereits organisatorisch festgefügt waren***.Auch Herzogin Elisabeth hat den Klosterneuburgern ihre Treue zum Landesherrn nicht vergessen. Sie, die schon im Jahre 1303 aus den Gmundner Salzpfannen für viele Klöster das „Gott-Heil-Salz“ gestiftet hatte, bedachte auch die Klosterneuburger Schützen in derselben Weise mit einer Stiftung von je drei großen Salzstöcken als weiteren Preis für das jährliche Wettschießen in Klosterneuburg****.
* Stiftsarchiv Kl.K-159, Nr. 78, fol.96 v: Bemerkungen des Chorherrn-Historikers Willibald
Leyrer aus dem Jahre 1791
** Gleichlautende Auskünfte der Archive Wien 1., Minoritenplatz und Wien 1.,
Wallnerstraße 6/A
*** Drig.Urk.1296 V 7 (Erbgutstreit zwischen einer Frau Margarethe und ihrem Stiefsohn
Seyfried)
**** Stiftsarchiv Kl.K-223, folg.270, Nr. 106
In der Folge haben Neider die Klosterneuburger Schützen als „Stöcke“ bezeichnet. So konnte mit schönen Preisen das „Freie Haupt- und Salzschießen“ fleißig gepflegt werden.
Das auf diese Weise allenthalben auch in anderen Städten geförderte Schießwesen hat dann im ganzen Lande eine schnelle Verbreitung gefunden. So konnte Rudolf IV. im Jahre 1362 von Haidenreich von Maissau für den St. Martinstag in diesem Jahre einen Dienst von 40 Schützen fordern, was immer darunter zu verstehen war.
Dass die jeweiligen Landesfürsten einen ihrer Ministerialen als obersten Vorsteher der Schützen und als Schützenmeister in Osterreıch bestellten, scheint sich aus der im Archiv des Chorherrenstiftes Klosterneuburg erliegenden Darstellung der Geschichte des Schützenwesens in Osterreich leicht ableiten zu lassen, wenn das Amt auch nicht unbedingt ein offizielles Staatsamt gewesen sein muss.
Hier scheint auch der Name des 2. Schützenmeisters in Österreich, Albmichl (?) von Losperg, auf.
Armbrüste, Mechanismus, Teile und Pfeile aus dem 15. Jhdt.
Mit der organisatorischen Umgestaltung des Reichsheeres durch Einführung der feuerschlagenden Büchsen (um 1570) hat auch das Schützenwesen einen neuen, nunmehr wehrpolitischen Akzent bekommen.
Die Klosterneuburger Schützen wollten anfänglich diese Entwicklung zum Feuerrohrschießen (Stahlschießen) nicht mitmachen. Sie liebten ihre Armbrustgeräte und waren ganz damit einverstanden, dass auch die Bevölkerung der Stadt gegen den lärmenden Schießbetrieb im Gelände der stadtnahen Albrechtsburg Einspruch erhob. So konnte es geschehen, dass die Ausführung der Bestimmungen der Maximilianischen Defensivordnung in Klosterneuburg immer wieder hinausgeschoben wurde und der Schießplatz an der Albrechtsburg immer mehr verödete.
Am 9. August 1538 war König Ferdinand I. dem Ansuchen von Richter, Rat und Bürger der Stadt nachgekommen und hatte dieser die „öde und abkhomben burgk, daselbst an der Statmaur gelegen“, zur Anlegung eines Zeughauses und Errichtung eines Getreidekastens zur Verfügung gestellt. Das Gemäuer war nach der Schätzungsbeschreibung allenthalben noch so gut, die Dächer und Böden aber längst verfault und eingestürzt. An diesen alten Gemäuern hatten die Klosterneuburger zunächst ihren Schießplatz. Auch der Wirtschaftsbetrieb im neu errichteten Getreidekasten war nunmehr dem Schießbetrieb hinderlich, zumal die schon von Maximilian I. der Stadt bewilligten zwei Wochenmärkte
(1506) einen gesteigerten Warenverkehr mit sich brachten.
Die Albrechtsburg um 1800:
für Jahrhunderte der Schießplatz für die Klosterneuburger Schützen
Stadtbefestigung im 17. Jahrhundert mit Albrechtsburg
Nach einem kaiserlichen Generalschreiben mussten die Klosterneuburger ihre Opposition gegen das Feuerrohrschießen aufgeben. Die Klosterneuburger Schützengilde wurde zirka um das Jahr 1537 in „Schützenzeche“ umbenannt.
Die wirtschaftliche Entwicklung des Schützenvereines ist in der Folgezeit ganz gut gelaufen, es konnten Liegenschaften und Weingärten erworben werden und auch seine Veranstaltungen finden in zahlreichen Archivstücken des Chorherrenstiftes immer wieder ihren Niederschlag*.
Im Jahre 1716 haben sieben Klosterneuburger Schützen am „Haupt- und Frey-Schießen“, welches Kaiser Karl VI. der Bürgerschaft von Wien anlässlich der Geburt seines Sohnes Leopold (im gleichen Jahre wieder verstorben) veranstalten ließ, teilgenommen. Ihre Namen sind in dem schön gestalteten, mit vielen Bildern versehenen Festkatalog festgehalten: From Abraham, Spitlmeister; Gagg Leopold, Rentschreiber; Göggl Johann Michael, Bürger; Mändl Leopold, bgl. Wagner; Paeckh Adam, bgl. Hufschmied; Schlögl Johann Georg, Bürger; Wettmann Johann, Bürger.
Auch in der Festschrift des „Kaiserlichen Gnaden- und Frey-Schießens, welches Ihre Kaiserliche und Königliche Catholische Majestät Carolo sexto der Wienerischen Bürgerschaft durch 14 Täg gegeben hat“, scheinen wiederum Klosterneuburger Schützen auf: Buchhof Anton Josef, Hornung Johann Paul, Scollanitz Johann, Wimmer Johann.
Der wirtschaftliche Niedergang des Vereines machte sich durch ständige Zahlungsschwierigkeiten und einen großen Schuldenberg unübersehbar bemerkbar. Aus einer genauen Auflistung der stiftlichen Ober-Cammer erfahren wir die vielen rückständigen Zehente des Vereines bis zum Jahre 1727 und von Abschlagzahlungen schuldig gebliebener Grunddienste in den Jahren von 1733 bis 1739.
* z.B. HS 102, fol. 1&7, ausgesetzter Festpreis: ein Ochse.
Anfangs des 19. Jahrhunderts erscheint die alte Schützenzeche als bürgerliche Schützengesellschaft in neuem Gewand und änderte, als ihr in Ausführung des neu geschaffenen Vereinsgesetzes im Jahre 1859 die Statuten bewilligt wurden, ihren Namen in „Schützenverein“.
Ein belebender Hauch war generell in die Schützenvereine Österreichs gekommen und emsiger denn je wurde das Schießen auf der Schießstätte des Klosterneuburger Schützenvereins gepflegt. Auch viele Wiener Schützen waren eifrige Besucher der Klosterneuburger Schießstätte geworden und manchen Wiener Schützen bezeichnen die Annalen des Klosterneuburger Schützenvereins als Schützenmeister.
Auch in der Waffentechnik wurde der Hauch der neuen Zeit verspürt und immer häufiger mischte sich in das Knattern der Vorderlader- Büchsen das Dröhnen der modernen mit Patronen geladenen Hinterlader.
Was aber die Schützen mit Stolz und Freude erfüllte, fühlten die Nachbarn mit schwerem Unbehagen. Und so kam es, dass immer eindringlicher der Wunsch wegen Außerbetriebsetzung der Klosterneuburger Schießstätte in der alten Albrechtsburg
in der Bevölkerung laut wurde.
lm Oktober 1870 war der letzte Schuss auf der Klosterneuburger Vereinsschießstätte gemacht worden und die jetzt folgenden Dezenien sind wohl die trübste Zeit aus dem 700 jährigen Vereinsbestande.
Die allgemeine wirtschaftliche Depression der 70er Jahre und die zunehmende Verarmung der weinbautreibenden Bevölkerung Klosterneuburgs infolge Vernichtung ihrer Weingärten durch die Reblaus waren die Ursache, dass dem aus bürgerlichen Kreisen sich erneuernden Verein es unmöglich wurde, jene Mittel aufzubringen, die zur Errichtung einer neuen Schießstätte unerlässlich notwendig gewesen wären.
Im Jahre 1878 übergab daher der Verein seine doch umfangreichen Liegenschaften an die Gemeinde Klosterneuburg mit der Widmung, dieselben entsprechend zu verwerten und den erzielten Erlös, sobald der Verein wieder in der Lage sein würde, eine neue Schießstätte einzurichten, für diesen Zweck zurückzustellen.
Leider wurde dies ohne Zins und Zinseszinsen vereinbart. Da die damaligen Machthaber im Schützenverein auch gleichzeitig in der Gemeindeverwaltung die Führer waren, ist es begreiflich, dass für den Verein aus jener Transaktion wegen allzu einseitiger Interessenvertretung ein sonderlich großer Nutzen nicht erwachsen konnte. Dementsprechend ist auch der Erlös aus den Liegenschaften des Vereins ein recht dürftiger geblieben, ganze 3.854 Kronen und 96 Heller wurden erreicht. Wenn man es verstanden und auch gewollt hätte, dem Verein seinen Grundbesitz zu erhalten, so hätte er einer der wohlhabendsten Schützenvereine des Landes sein können.
Die vereinbarte Rückerstattungspflicht trat dann im Jahre 1909 ein, nachdem der Verein durch korporativen Beitritt der Klosterneuburger Jagdschützen zu neuem Leben kam. So war zwar das Anfangsbudget wieder gesichert, aber dafür noch lange nicht ein geeigneter Schießplatz in Sicht. Immerhin hatten sich inzwischen auch die gesellschaftspolitischen Verhältnisse im Lande soweit patriotisiert, dass das k.k. Ministerium für Landesverteidigung im Jahre 1909 gezwungen war, für die Tätigkeit der Schützenvereine besondere Begünstigungen in Aussicht zu stellen. Eine Zimmergewehr-Schießstätte im ersten Stock des Stiftskellers ermöglichte dem Verein zumindest einen Notbetrieb. Eine ldeallösung war das natürlich nicht. Im Schießstattgraben in Klosterneuburg-Kierling wurde in einem Freistand für schwere Kugel und Schrot (Jagdschießen) geschossen.
Bei der Generalversammlung vom 31. Jänner 1910 unternahm nun der Verein den genialen Versuch, sich unter das Protektorat des Allerhöchsten Kaiserhauses zu stellen, um so, wie es im Bittgesuch heißt, „den Verein auf den von ihm beschrittenen Weg zu rastlosem Fortschritt und zu fruchtbringender Betätigung anzuspornen und weil nur eine solche Art es auch für alle Zukunft unmöglich macht, dass Kleinmut und Schaffensunlust, wie es schon einmal der Fall war, den Verein dem sicheren Untergang zuzuführen“. Das Gesuch strebte auch die allerhöchste Bewilligung eines Privilegiums zur Aufstellung einer Schützenkompanie an und zwar mit dem historischen Hinweis, dass die Klosterneuburger schon zu den Anfängen der Habsburgerzeit in Österreich bereit waren, Gut und Blut für
Kaiser und Vaterland zu geben.
Das Gesuch war gezeichnet vom Oberschützenmeister Viktor Kreps, seinem Stellvertreter Leopold Ethofer, dem Schützenrat und Pfarrer von St. Martin, Benedikt Scholz, und dem Advokaten Dr. Friedrich Vogel. Leider ist das Gesuch nicht datiert und so ist nicht einwandfrei festzustellen, ob es überhaupt jemals seinen Weg in die Kaiserliche Hofkanzlei angetreten hat. Der Verdacht, es könnte sich hierbei nur um eine gedankliche Kraftmeierei einzelner Ausschussmitglieder gehandelt haben, liegt auch deshalb nahe, weil in den Vereinsprotokollen nirgends ein Hinweis auf dessen Versendung und schon gar nicht eine behördliche Antwort protokolliert wurde, was in einer so entscheidenden Sache einfach
unmöglich erscheint.
Der Klosterneuburger Schützenverein musste also ohne allerhöchste Privilegien
sehen, wie er weiter bestehen konnte.
Seit dem Ausbruch des ersten Weltkrieges schweigen dann die Vereinsprotokolle (oder sie sind verloren gegangen). Erst im Jahre 1922 gibt es wieder das erste zaghafte Anzeichen eines Wiederauflebens des Vereines. Dort befindet sich auch im Protokoll ein geschichtlicher Rückblick auf die Vereinsjahre 1914 bis 1918, der, wie zu erwarten, sich zumeist mit Berichten über Rekrutierungen und Einberufungen von Vereinsmitgliedern zum Militär und mit den damit im Zusammenhang stehenden laufenden Absinken der Schützenzahlen befasst.
Wohl aber ist zu vermerken, dass der Verein über Einladung der Bezirkshauptmannschaft ganz offiziell die Schießausbildung der höheren Klassen des Gymnasiums, der Weinbauschule, der Jungmannschaft des Klosterneuburger Turnvereins und des Jugendbundes St. Martin unter der Dachorganisation „Reichsverband der patriotischen Jugend“ übernehmen konnte. Dem Schützenverein Klosterneuburg wurde auf diesem Umwege die so sehr erwünschte staatliche Förderung zuteil. Aber auch das half nur über kurze Zeit über die größten Schwierigkeiten hinweg. Die Militärbehörden, die zu Kriegszeiten allmächtig sind, haben eines Tages die Vereinsräumlichkeiten für Rekrutierungszwecke beschlagnahmt. Derselbe Staat, der um die Schießausbildung der Jugend so sehr besorgt war, hat dem dazu berufenen Verein alle Möglichkeiten zur weisungsgerechten Verwirklichung dieses Zieles kurzerhand entzogen.
So ist auch das letzte Aufflackern der Vereinsglut in den Jahren 1914 bis 1918 in sich zusammengefallen und das Leben erlosch bis zum besagten Jahr 1922.
ln dieser Zeit des wirtschaftlichen Notstandes und der politischen Nachkriegswirren versuchte der Vereinsvorstand seinen ideologischen Standort im bürgerlich-liberalen Lager abzusichern, aber nach außen hin immer möglichst unpolitisch zu agieren und nach allen Seiten offen zu sein.
Eine Klippe dafür schuf er sich selbst, als er in seiner Generalversammlung vom 16. Februar 1923 zum einstimmigen Beschluss erhob, dass nur Bewerber deutscharischer Abstammung in den Verein aufgenommen werden könnten.
Um die Mitgliederlisten in Ordnung zu bringen, wurden nur diejenigen als Vereinsmitglieder anerkannt, die bei der nächsten Generalversammlung persönlich anwesend waren oder doch als entschuldigt galten. Die Vereinsleitung wurde damit erheblich gestrafft und Neuaufnahmen nur auf begründeten Vorschlag von anerkannten Vereinsmitgliedern vorgenommen.
Als Gastverein war noch immer die Schützenriege des Männerturnvereins Klosterneuburg mit am Schießsport beteiligt; seit 1928 auch die Mitglieder der Sektion Klosterneuburg des NÖ Jagdschützenverbandes. Ab 1929 meldeten sich auch die Wehrverbände zu Wort: Die Ortsgruppe Klosterneuburg des NÖ Heimatschutzes ersuchte den Verein, auch ihm die Schießstätte zur Verfügung zu stellen. Das Gesuch wurde einstimmig bewilligt. Die letzte Generalversammlung vor dem Umbruch 1938 befasste sich mit Vereinswahlen. Der Vorstand demonstrierte Tagespolitik.
Mitgliedsausweis aus dem Jahr 1930
Noch im selben Jahr setzten die NS-Behörden einen Gauschützenführer ein.
Dieser verpasste, wie allen anderen Schützenvereinen auch, den Klosterneuburgern neue Einheitsstatuten. Personell aber veränderte sich im Klosterneuburger Schützenverein nichts. Der bisherige Oberschützenmeister Mauritz wurde zum neuen Vereinsführer gewählt und bestellt. Die Einquartierung deutschen Militärs hat eine Zeit lang die Schießausbildung unmöglich gemacht. Der Ausbruch des Krieges hat das Schützenpotential gleich anfangs arg geschwächt, so dass die Schießabende nur wenig besucht waren. Auch der eingeengte Munitionsstand zwang zu größeren Abständen zwischen den einzelnen Betriebsstunden. Trotzdem konnten sich noch immer Klosterneuburger Schützen mit viel Erfolg an Wettschießtagen in Kagran und an den Vereinsmeisterschaften in Kierling beteiligen. Im Lauf der Kriegsjahre wurden aber immer mehr Männer der Führungselite des Vereines zu den Waffen gerufen und auch die Schießstätte musste der Polizei und dem NSKK (nat.soz.Kraftfahrkorps) zur Verfügung gestellt werden. Letzten Endes beschlagnahmte die Räumlichkeiten im Stiftskeller das Wehrbezirkskommando. Der Klosterneuburger Schützenverein hatte wieder einmal ausgelebt.
Wieder einmal hatte der Klosterneuburger Schützenverein eine schwere Zeit durchzumachen, lassen wir aber am besten Herrn Dipl. Ing. Duchkowitsch, Schriftführer aus der Zeit vor dem Zusammenbruch im Zuge des zweiten Weltkrieges, zu Wort kommen. Es ist dies ein Auszug aus dem Protokoll, wie es im Original des Vereinsprotokollbuches erhalten ist.
Wir lesen dort:
Der bittere Ernst des zweiten Weltkrieges hat sich auch im Betrieb des Schützenvereines ausgewirkt und mit dem Einmarsch der Russen im März 1945 hörte jede Tätigkeit des Vereines auf.
In der Schießstätte des Vereines im Stiftskeller schlugen die Russen ihr Quartier auf, alle Waffen mussten abgeliefert werden, auch Kleinkaliber- und Luftgewehre wurden beschlagnahmt.
Als nach 10jähriger Besetzung die Russen wieder abgezogen waren und einige der alten Mitglieder des Vereines die Räume des Schützenvereines im Stiftskeller aufsuchten, da mussten sie leider gleich auf den ersten Blick feststellen, dass von den vielen alten, wertvollen, bis haustorgroßen gemalten Scheiben keine einzige übrig geblieben war. Die schweren Holzscheiben hatten die Russen zum Heizen der Räume verwendet. Auch sonst war die alte Schießstätte kaum noch zu erkennen.
Da die vernichteten Scheiben, die seinerzeit zu beiden Seiten der Schießstätte standen, unersetzlich sind, wird als Gedächtnisvermerk angeführt, dass je zwei kleinere Scheiben als Leihgabe dem NÖ. Landesmuseum in der Herrengasse in Wien sowie dem Leopoldikeller in Klosterneuburg zur Verfügung gestellt wurden und dadurch erhalten geblieben sind und zurückverlangt werden könnten.
Belege dürften keine vorhanden sein, Zeuge war Emmeran Wieser.
Versuche, den Verein wieder ins Leben zurückzuführen, wurden in den folgenden Jahren wiederholt unternommen, brachten aber keinen Erfolg. Der letzte Vereinsführer, Herr J. Mauritz, lehnte sowohl auf schriftliche als auch auf mündliche Bitte jede weitere Beteiligung ab. Auch die Versuche, den im Jahre 1956 neu gegründeten Klosterneuburger Jagdklub dem Schützenverein anzugliedern, hatten keinen Erfolg.
Ein Bittschreiben des Gefertigten an den Hw. Abt des Stiftes Klosterneuburg um Wiederüberlassung der alten Räumlichkeiten im Stiftskeller für den neu zu gründenden Schützenverein wurde abgelehnt da diese Räume für den vergrößerten und umzubauenden Stiftskeller benötigt wurden.
Stiftskeller Klosterneuburg in alter Ansicht
Die während des Krieges erfolgte Einbeziehung der Stadt Klosterneuburg in den Bereich der Stadt Wien wurde im Jahre 1954 wieder rückgängig gemacht, dafür wurden aber einige umliegende Gemeinden, darunter auch Kierling, der Stadt Klosterneuburg eingegliedert.
In der Zwischenzeit wurde im Jahre 1954 in Kierling im Gasthof Mayr ein Schützenverein gegründet und eine nette Schießstätte eingerichtet sowie ein reger Betrieb entwickelt. Seine Schützen nahmen an verschiedenen Preisschießen stets mit schönen Erfolgen teil. Bei dieser Sachlage machte der Gefertigte immer wieder dafür Propaganda, dem Kierlinger Schützenverein beizutreten - der nun ohnehin zu Klosterneuburg gehörte - sodann durch eine Statutenänderung auf Klosterneuburger Schützenverein umzutaufen. Indessen verloren die Kierlinger ihre Schießstätte, der Ausweg, die Schießübungen im Bunker des Franz-Josef-Bahnhofes in Wien abzuhalten, fand keinen Anklang und die Auflösung des Vereines stand vor der Tür. In letzter Stunde, knapp vor der angedrohten Ablieferung der Waffen und der Auflösung des Vereines, kam der letzte getreue Schütze von Kierling, Herr Ludwig Mayr, mit seinen Sorgen nach Klosterneuburg zu den alten Klosterneuburger Schützen, wo er mit offenen Armen aufgenommen wurde.
Bei der „Lagebesprechung“, am 17. März 1964 im Gasthof Unger in Klosterneuburg, erklärten die acht Unentwegten sich einstimmig bereit, dem Verein beizutreten und mitzuhelfen, baldmöglichst in Klosterneuburg ein neues Schützenvereinsleben zu erwecken.
Am 28. März 1964 erschien in den Klosterneuburger Nachrichten ein flammender Aufruf „Klosterneuburger Schützen herbei. Schützenverein vom Jahre 1288 soll wieder erstehen“.
Am 31. März 1964 fand die 1. konstituierende Versammlung statt. Satzungen und Protokoll werden beigeschlossen.
Am 2. April 1964 erscheint in der „Österreichs Neue Tages Zeitung“ ein Artikel „Alte Schützengilde greift zum Gewehr“. Auch Radio Wien brachte einen Aufruf.
Am 6. April 1964 veröffentlichten die „Klosterneuburger Nachrichten“ einen Artikel „Schützenverein neu erwacht“.
Der Klosterneuburger Schützenverein beim 2. NÖ Landesschützentag in Lilienfeld 1966
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